Wenn du dich in einem Handwerksberuf selbstständig machen möchtest, musst du einige Voraussetzungen erfüllen. Selbstständig ohne Meisterbrief ist nicht immer möglich. Bei vielen Handwerksberufen brauchst du auch den Meistertitel. Doch es gibt Ausnahmen – und Möglichkeiten, sich trotz fehlenden Meister im Handwerk selbstständig zu machen.
Inhalt
- Brauche ich einen Meisterbrief für die geplante Selbstständigkeit?
- Was bedeutet Meisterpflicht?
- Welche Handwerke benötigen keinen Meister?
- Pro & Contra: Selbstständig ohne Meisterbrief für alle Handwerke?
- Welche Alternativen zum Meisterbrief gibt es momentan bei einer Gründung im Handwerk?
- Selbstständig ohne Meisterbrief: Doch was tun, wenn der Meisterbrief fehlt?
- Was kostet der Meisterbrief?
- Fazit: Selbstständigkeit ohne Meisterbrief?
1. Brauche ich einen Meisterbrief für die geplante Selbstständigkeit?
Dies ist die erste Frage, die du klären musst. 🙂 Vielleicht gehört dein Handwerk zu einem der Berufe, die keinen Meister zur Selbstständigkeit benötigen? Dazu reicht ein Blick in die Handwerksordnung. Alle 53 Handwerke, die einen Meistertitel benötigen, findest du in der Anlage A . Diese sind:
- Augenoptiker
- Bäcker
- Behälter- und Apparatebauer
- Betonstein- und Terrazzohersteller
- Boots- und Schiffbauer
- Böttcher
- Brunnenbauer
- Büchsenmacher
- Chirurgiemechaniker
- Dachdecker
- Drechsler (Elfenbeinschnitzer) und Holzspielzeugmacher
- Elektromaschinenbauer
- Elektrotechniker
- Estrichleger
- Feinwerkmechaniker
- Fleischer
- Fliesen-, Platten- und Mosaikleger
- Friseure
- Gerüstbauer
- Glasbläser und Glasapparatebauer
- Glaser
- Glasveredler
- Hörakustiker
- Informationstechniker
- Installateur und Heizungsbauer
- Kälteanlagenbauer
- Karosserie- und Fahrzeugbauer
- Klempner
- Konditoren
- Kraftfahrzeugtechniker
- Landmaschinenmechaniker
- Maler und Lackierer
- Maurer und Betonbauer
- Mechaniker für Reifen- und Vulkanisationstechnik
- Metallbauer
- Ofen- und Luftheizungsbauer
- Orgel- und Harmoniumbauer
- Orthopädieschuhmacher
- Orthopädietechniker
- Parkettleger
- Raumausstatter
- Rollladen- und Sonnenschutztechniker
- Schilder- und Lichtreklamehersteller
- Schornsteinfeger
- Seiler
- Steinmetzen und Steinbildhauer
- Straßenbauer
- Stuckateure
- Tischler
- Wärme-, Kälte- und Schallschutzisolierer
- Zahntechniker
- Zimmerer
- Zweiradmechaniker
All diese Handwerke benötigen zwingend einen Meister um einen Betrieb zu gründen.
Außerdem gibt es noch die
- zulassungsfreien Handwerksberufen ohne Meisterpflicht und die
- handwerksähnlichen Gewerbe.
2. Was bedeutet Meisterpflicht?
Die Meisterpflicht ist in Deutschland eine der Grundvoraussetzungen um sich in Handwerksberufen überhaupt selbstständig machen zu können. Außer in Deutschland gibt es die Meisterpflicht nur noch in Luxemburg, Südtirol und Österreich. Seit 1953 ist in Deutschland die Meisterpflicht in der Handwerksordnung niedergeschrieben. Auch wenn seit 2004 für viele Berufe keine Meisterpflichtmehr gibt, sind es in Deutschland mittlerweile wieder 53 Handwerke, für die zwingend ein Meister benötigt wird. Vorallem in Berufen, die laut Gesetzgeber eine Gefahr für die Gesundheit oder das Leben darstellen, ist ein Meisterbrief vonnöten.
Warum wurde die Meisterpflicht 2004 in einigen Gewerken abgeschafft?
2004 wurde für eine Handwerke die Meisterpflicht abgeschafft, davon erhoffte sich die Bundesregierung mehr Gründungen und dadurch mehr Wettbewerb. 2004 gab es sehr viele Arbeitslose und diesen wollte man den Weg in eine Selbstständigkeit erleichtern. So wurde in einigen Handwerksberufen die Meisterpflicht aufgehoben.
Für welche Gewerke gibt es seit Anfang 2020 wieder eine Meisterpflicht ?
Diese Entscheidung nahm die Regierung 2020 teilweise zurück – und somit wurden 12 Handwerke wieder meisterpflichtig.
Folgende Handwerke sind betroffen:
- Behälter- und Apparatebauer
- Betonstein- und Terrazzohersteller
- Böttcher
- Drechsler und Holzspielzeugmacher
- Estrichleger
- Fliesen-, Platten- und Mosaikleger
- Glasveredler
- Orgel- und Harmoniumbauer
- Parkettleger
- Raumausstatter
- Rollladen- und Sonnenschutztechniker
- Schilder- und Lichtreklamehersteller
Bestandsschutz für bereits gegründete Unternehmen
Dabei gibt es für die Handwerke, bei denen erst 2020 die Meisterpflicht wieder eingeführt wurde, ein Bestandsschutz. Das bedeutet, dass alle Betriebe, die vorher gegründet worden sind, auch ohne Meister weitergeführt werden dürfen.
3. Welche Handwerke benötigen keinen Meister?
Neben den Handwerksberufen mit Meisterpflicht gibt es aber auch zulassungsfreie Handwerke und handwerksähnliche Gewerbe. Diese benötigen zur Betriebsgründung keinen Meister. Auch diese Handwerke sind in der Handwerksordnung (Anlage B) zu finden.
Zulassungsfreie Handwerke:
- Bestatter
- Bogenmacher
- Brauer und Mälzer
- Buchbinder
- Drucker
- Edelsteinschleifer und -graveure
- Feinoptiker
- Flexografen
- Fotografen
- Galvaniseure
- Gebäudereiniger
- Geigenbauer
- Glas- und Porzellanmaler
- Gold- und Silberschmiede
- Graveure
- Handzuginstrumentenmacher
- Holz- und Bautenschützer (Mauerschutz und Holzimprägnierung in Gebäuden)
- Holzbildhauer
- Holzblasinstrumentenmacher
- Keramiker
- Klavier- und Cembalobauer
- Korb- und Flechtwerkgestalter
- Kürschner
- Maßschneider
- Metall- und Glockengießer
- Metallbildner
- Metallblasinstrumentenmacher
- Modellbauer
- Modisten
- Müller
- Sattler und Feintäschner
- Schneidwerkzeugmechaniker
- Schuhmacher
- Segelmacher
- Siebdrucker
- Textilgestalter
- Klöppler
- Posamentierer
- Sticker
- Stricker
- Weber
- Textilreiniger
- Uhrmacher
- Vergolder
- Wachszieher
- Weinküfer
- Zimmerer
- Zupfinstrumentenmacher
- Zweiradmechaniker
Auch in den Berufen ohne Meisterzwang kannst du einen Meistertitel ablegen. Dieser wird von Kunden als Qualitätsmerkmal anerkannt und gibt dir einen gewissen Vorsprung vor der Konkurrenz.
Handwerksähnliche Gewerbe:
- Änderungsschneider
- Appreteure, Dekateure
- Asphaltierer (ohne Straßenbau)
- Ausführung einfacher Schuhreparaturen
- Bautentrocknungsgewerbe
- Betonbohrer und -schneider
- Bodenleger
- Bügelanstalten für Herren-Oberbekleidung
- Bürsten- und Pinselmacher
- Daubenhauer
- Dekorationsnäher (ohne Schaufensterdekoration)
- Einbau von genormten Baufertigteilen (zum Beispiel Fenster, Türen, Zargen, Regale)
- Eisenflechter
- Fahrzeugverwerter
- Fleckteppichhersteller
- Fleischzerleger, Ausbeiner
- Fuger (im Hochbau)
- Gerber
- Getränkeleitungsreiniger
- Handschuhmacher
- Herstellung von Drahtgestellen für Dekorationszwecke in Sonderanfertigung
- Holzblockmacher
- Holz-Leitermacher (Sonderanfertigung)
- Holzreifenmacher
- Holzschindelmacher
- Holzschuhmacher
- Innerei-Fleischer (Kuttler)
- Kabelverleger im Hochbau (ohne Anschlussarbeiten)
- Klavierstimmer
- Kosmetiker
- Kunststopfer
- Lampenschirmhersteller (Sonderanfertigung)
- Maskenbildner
- Metallsägen-Schärfer
- Metallschleifer und Metallpolierer
- Muldenhauer
- Plisseebrenner
- Rammgewerbe (Einrammen von Pfählen im Wasserbau)
- Requisiteure
- Rohr- und Kanalreiniger
- Schirmmacher
- Schlagzeugmacher
- Schnellreiniger
- Speiseeishersteller (mit Vertrieb von Speiseeis mit üblichem Zubehör)
- Steindrucker
- Stoffmaler
- Tankschutzbetriebe (Korrosionsschutz von Öltanks für Feuerungsanlagen ohne chemische Verfahren)
- Teppichreiniger
- Textil-Handdrucker
- Theater- und Ausstattungsmaler
- Theaterkostümnäher
- Theaterplastiker
4. Pro & Contra: Selbstständig ohne Meisterbrief für alle Handwerke?
Für die Selbstständigkeit mit Meisterbrief kann man eindeutig anführen dass ein Meisterbetrieb meist ein Mehr an Erfahrung und Ausbildung bedeutet. So ist gerade in Berufen, bei deren Ausübung eventuell Gefahren für den Auftraggeber entstehen können, eine Meisterpflicht vertrauenserweckender. Ebenso können Meisterbetriebe sofort ausbilden. So dass die Zukunft des Berufsstandes gesichterer ist.
Für eine Selbstständigkeit ohne Meisterbrief spricht:Gerade in Zeiten, in denen es viele Arbeitslose gibt, ergibt sich durch die Möglichkeit einer Selbstständigkeit selbstverständlich eine große Chance sich der Arbeitslosigkeit zu entziehen. So könnte man viele Arbeitslose in eine – hoffentlich – tragende Selbstständigkeit bringen. Durch das Wegfallen der Meisterpflicht können sehr viele in eine Solo-Selbstständigkeit starten. Auch ist noch gar nicht sicher, ob sich die Meisterpflicht mit dem Eu-Gesetzen vereinbaren lässt.
5. Welche Alternativen zum Meisterbrief gibt es momentan bei einer Gründung im Handwerk?
Neben der Ausbildung und dem nachfolgenden Meisterbrief in deinem gewünschten Beruf kannst du dich auch noch selbstständig ohne Meisterbrief machen, wenn du folgende Ausbildungen in dem zulassungspflichtigen Handwerk hast:
- Ingenieure,
- Absolventen
- technischen Hochschulen
- staatlichen oder staatlich anerkannten Fachschulen
- für Technik
- für Gestaltung
Wichtig ist auch, dass du im Studium auch den Schwerpunkt auf dieses Handwerk gerichtet hattest. So kannst du beispielsweise wenn du Fahrzeugtechnik studiert hast, einen Kfz-Betrieb eröffnen aber keine Schreinerei. Dies kannst du in der Handwerksordnung § 7 Abs. 2 nachlesen.
6. Selbstständig ohne Meisterbrief: Doch was tun, wenn der Meisterbrief fehlt?
Zu den Regelungen, die eine Betriebsgründung ohne eigene Meisterprüfung oder einen vergleichbaren Abschluss ermöglichen, zählen:
Technische Betriebsleiter
Hast du keinen passenden Meistertitel kannst du dich auch selbstständig ohne Meisterbrief machen, in dem du einen technischen Betriebsleiter anstellst. Dieser muss den Meistertitel innehaben .
Ausnahmebewilligung (§ 9 HwO i.V.m. EU / EWR-Handwerk-Verordnung)
Für Staatsangehörige aus , dem europäischen Wirtschaftsraum, der Schweiz und der Europäischen Union kann ebenfalls der Antrag auf eine Ausnahmebewilligung gestelltt werden, wenn neben Kenntnissen und Fertigkeiten die einem Meister gleichen die folgende Voraussetzungen vorliegen
- drei Jahre als Selbstständiger oder als Betriebsleiter,
(wenn eine mindestens dreijährige Ausbildung vorliegt) oder - sechs Jahre als Betriebsleiter oder Selbstständiger oder
- fünf Jahre ununterbrochen als Betriebsleiter, davon mindestens drei Jahre mit technischer Verantwortung und mit der Verantwortung für mindestens eine Abteilung des Unternehmens und außerdem eine mindestens dreijährige Ausbildung im beantragen Handwerk oder
- vier Jahre ununterbrochen als Selbständiger, fünf Jahre als Arbeitnehmer, nicht länger als zehn Jahre zurückliegend UND
- Nachweis über eine Bescheinigung der entsprechenden Behörde des Heimatlandes.
Altgesellenregelung (§ 7b HwO)
Seit 2004 gibt es die Altgesellenregelung. Hast du nachweislich mehrere Jahre einen Meisterbetrieb geleitet und möchtest nun ein gleichartiges Unternehmen gründen, kannst du dich bei deiner Handwerkskammer erkundigen. Häufig bekommst du eine Ausnahmegenehmigung.
Du brauchst und musst dies auch nachweisen können:
- bestandene Gesellenprüfung im beantragten Handwerk oder verwandten Handwerk
- mindestens sechs Jahre als Geselle gearbeitet
- mindestens vier Jahre in leitender Stellung
- betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Kenntnisse
(§ 7b HwO) Eine leitende Stellung ist dann anzunehmen, wenn dem Gesellen eigenverantwortliche Entscheidungsbefugnisse in einem Betrieb oder in einem wesentlichen Betriebsteil übertragen worden sind. Der Nachweis hierüber kann durch Arbeitszeugnisse, Stellenbeschreibungen oder in anderer Weise erbracht werden.
Ausnahmebewilligung (§ 8 HwO)
Es gibt bestimmte Ausnahmen, kannst du eine (besser mehrere) davon nachweisen, kannst du dich auch ohne Meisterbrief selbstständig machen. Diese wären:
- fortgeschrittenes Lebensalter (ab ca. 47 Jahren)
- bestehende, unverschuldete Arbeitslosigkeit
- Behinderungen
- gesundheitliche Gründe
- unzumutbare lange Wartezeit bis zur Ablegung der Meisterprüfung
- Möglichkeit zur kurzfristigen Übernahme eines Betriebes. So z.B. wenn aus Alters- oder Krankheitsgründen eine Betriebe übergeben werden soll
- andere (vergleichbare Meisterp)rüfung liegt vor
Liegen mehrere dieser Gründe vor, steigen die Chancen auf eine Ausnahmebewilligung. Beispielsweise wenn kurzfristig ein Betrieb übernommen werden soll, du aber keine Chance hast in der Zeit eine Meisterprüfung abzulegen. Allerdings kann dir die Ausnahmebewilligung, damit du dich ohne Meisterbrief selbstständig machen kannst, auch nur befristet erteilt werden. So musst du den Brief nachholen.
7. Was kostet der Meisterbrief?
Die Weiterbildung zum Meister belaufen sich meist auf 4.000 bis 10.000 Euro. Sie können stark variieren, je nachdem für welchen Ausbildungsweg du dich entscheidest. Möglich ist der Besuch der HWK-Meisterschule oder auch ein passendes Studium ist denkbar. Bei Meisterprüfungen in verschiedenen Berufen können ebenfalls unterschiedliche Kosten entstehen. Laut der deutschen Handwerkszeitung kosten günstigere Meisterbriefe (Friseure und Fleischer) um die 4000 Euro, ein teurer Meisterbrief ist beispielsweise der Elektromeister mit 9000 Euro.
Diese Kosten beinhalten alle vier Teile der Meisterprüfung:
- praktischer Teil (I)
- fachtheoretischer Teil (II)
- betriebswirtschaftlicher und rechtlicher Teil (III)
- berufspädagogischer Teil (IV)
Daneben musst du noch mit Kosten für eine eventuelle Unterkunft, den Fahrtkosten und deinen Verdienstausfall rechnen. So kommt ein Meistertitel schnell einmal auf 20.000 Euro.
Bei diesen hohen Kosten und dem großen Zeitaufwand lassen es viele Handwerkergesellen häufig lieber sein. Doch wenn du alle Möglichkeiten ausschöpfst, kannst du einiges an finanzieller Unterstützung bekommen. So gibt es beispielsweise das BAföG (beim Studium) oder Meister-BAföG (bei der Meisterschule) beanspruchen. Das Meister-Bafög wird zu 40 % gefördert. Das heißt, du musst nur noch 60 % des erhaltenen Betrags später zurückzahlen.
8. Fazit: Selbstständigkeit ohne Meisterbrief?
Zu einer Selbstständigkeit ohne Meisterbrief gibt es viele Wege. Selbst wenn deine Betriebsgründung unter die Meisterpflicht fällt, sind noch einige Möglichkeiten offen. Solltest du auch hiervon keine abdecken, hilft häufig noch der Gang zur Handwerkskammer. Diese beraten dich eingehend, wie du doch noch selbstständig ohne Meisterbrief werden könntest.